Repressionen übermalen, verschweigen, verdrängen

Sankt-Petersburg, heute.

Der “unbedeutende Blogger“(©Putin) darf im öffentlichen Raum und Bewusstsein nicht vorhanden sein. Dieses Mural war zum Beispiel nur vier Stunden zu sehen, bevor es übermalt wurde. Die höchsten offiziellen Stellen, inklusive des Präsidenten, seines Pressesprechers Peskow etc, vermeiden es, ihn beim Namen zu nennen. Es gibt auch kuriose Auswüchse dieser seltsamen, zutiefst archaischen Praktik, den Namen eines Feindes nicht auszusprechen: Es ist mehrmals vorgekommen, dass im Winter große Schnnehaufen in Wohblöcken tagelang nicht entfernt wurden. Wenn man jedoch “Nawalny“ draufschrieb, war der Schnee im nu verschwunden. ;))

Update: Nach der Person (oder den Personen), die gestern dass Nawalny-Mural in Sankt-Petersburg angebracht haben und welches nach nur vier Stunden übermalt worden ist, werde mittlerweile gefahndet berichtet “Fontanka”. Es drohe eine Strafsache nach Paragraf 214 Absatz 2 des russländischen Strafgesetzbuches schreibt das Petersburger Nachrichtenportal mit Berufung auf die Nachrichtenagentur “Agentstvo zhurnalistkich rassledovanij”. Konkret werden den Autoren folgende Straftaten vorgeworfen: “Vandalismus, begannen von einer Personengruppe aus Motiven des politischen, ideologischen, rassistischen, nationalen oder religösen Hasses oder Feindschaft.”

Proteste am 21. April in Sankt-Petersburg: Eine zusammenfassende Presseschau

Am Mittwoch, den 21. April fanden in ganz Russland und in vielen Städten weltweit Proteste und Kundgebungen statt, auf denen die Zulassung von Ärzten zu Alexei Nawalny sowie seine Freilassung aus unrechtmäßiger Haft und die Freilassung aller politischen Gefangenen in Russland gefordert wurde.

In Moskau wurde dieses Mal nicht wirklich hart durchgegriffen, anders als in der „zweiten Hauptstadt“ Sankt-Petersburg, die einsamer Spitzenreiter unter allen russländischen Städten wurde, was sinnlose und brutale Polizeigewalt gegen Demonstrant*innen angeht. So schreibt das Nachrichtenportal „Nowyj prospekt“, dass die Verhaftungen in Sankt-Petersburg das 27fache der Moskauer Festnahmen darstellten. Die „Deutsche Weile“ bestätigt diese Zahl mit Verweis auf „OWD-Info“. „Sewer Realii“ schreibt von insgesamt 806 Festgenommenen.

Wie die „Deutsche Welle“ berichtet, seien von der Polizei eingesetzte Elektroschocker bereits ein Wahrzeichen der Polizeigewalt In Sankt-Petersburg geworden. So berichtet Aleksandr Schadrin, Historiker und Mitglied der oppositionellen Partei „Jabloko“, dass er, ohne irgendwas zu skandieren den Sennaja-Platz durchqueren wollte, als sich von hinten mehrere Menschen auf ihn stürzten, zu Boden stießen und seine Brille zerbrachen. Danach habe man ihn zum bereitstehenden Polizeiauto gezerrt, wo dann auch noch ein Elektroschocker eingesetzt worden sei.

“Mit einem Knüppel schlagen? Wie ungehobelt”-“Dagegen der Elektroschocker: So fortschrittlich!”, Sergej Elkin für “Nowyj Prospekt”

Weiterhin berichtet die „Deutsche Welle“ von zahlreichen Rechtsverstößen auf den Polizeistationen: Erzwungene Abnahme von Fingerabdrücken, stundenlanges Festhalten in Polizeibussen, Verweigerung von Wasser, keine Weitergabe von von Freunden/Verwandten durchgereichten Päckchen.

Der Sankt-Petersburger Menschenrechtsbeauftragte Aleksandr Schischlow sprach von einem „Verfassungsbruch“.

„Es war dort so eng, dass wir die meiste Zeit nicht mal in Zellen, sondern in der Aula auf Stühlen oder auf dem Boden verbringen mussten. Es gab kein Essen, kein Trinken und wir wurden erst nach einem Verhör, Fingerabdruckabnahme und einer Fotoportätierung gehen gelassen, also etwa 11-12 Stunden später.“

berichtet eine Frau, die in die 26. Polizeistelle des Krasnogwardejskij-Bezirks gebracht wurde. Der Anwalt Sergej Podolskij berichtet, dass man ihn etwa neun Stunden lang nicht zu seiner Mandantin gelassen hätte, die in der gleichen Stelle festgehalten worden ist. Dabei habe die Frau direkt bei der Festnahme zu verstehen gegeben, dass zu Hause ein zweijähriges Kind allein sei. In so einem Fall darf man nicht länger als drei Stunden festgehalten werden. Doch er vermute, dass an diesem Tag bei der Polizei überhaupt keine Regeln und Normen gegolten hätten, so Podolskij.

Non grata

Der bekannte Moskauer Philologe, Schriftsteller und Hochschullehrer Oleg Lekmanow schreibt auf seiner Facebook-Seite:

“Was es Neues gibt? Neues gibts das hier: Liebe Freunde haben mich eingeladen, in einem Programm des Fernsehsenders “Kul’tura” aufzutreten, und über ein Thema zu reden, was mir durchaus naheliegt.Ich habe zugesagt. Gerade haben sie mich angerufen und zerknirscht berichtet, die Leitung des Senders habe ihnen klar gesagt: “Von nun an ist Lekmanow auf “Kul’tura” eine persona non grata.”Somit gibt es auch für uns gewisse kleine Signale.”

Vor etwa einer Woche nahm Lekmanow (der Bitte des Stabes von Alexei Nawalny folgend) ein Video auf, in dem er folgende Worte sprach: “Die Situation mit Alexei Nawalny erscheint mir als vollkommen inakzeptabel und empörend. Ein vollkommen unschuldiger Mensch wird aus privater Rache in ein Straflager gesteckt und jetzt auch an einem Treffen mit einem Arzt gehindert. Das ist ungeheuerlich. Ich rufe unsere gesamte Gesellschaft auf, ihre Trägheit aufzugeben und dieser schrecklichen Situation Aufmerksamkeit zu schenken. Freiheit für Alexei Nawalny und alle politischen Gefangenen.”